Wer – wie der Autor dieser Zeilen – versucht, Naturwissenschaften an den Mann oder die Frau zu bringen, hört immer mal wieder den Satz, daß (gute) Philosophie leichter sei als (gute) Wissenschaft. Wirklich? Gute Philosophie klingt zum Beispiel so: „Wie in Kants dualistischer Konstitutionslehre ein verborgener Schematismus in den Tiefen des transzendentalen Subjekts die Beziehung von Materie und apriorischer Form zu stiften hatte, so wird in Fichtes monistischem Idealismus der Schritt, der vom Apriori zum Aposteriori führt, zu einem Geheimnis.“
Das kann schon sein, aber es ist sicher nicht leichter als irgendein Text aus der Wissenschaft. Ich habe versucht, ernste philosophische Texte – nicht die Aufarbeitungen für Kinder – zu lesen und bin durchweg gescheitert, weshalb mich freut, nun erfahren zu haben, daß es großen Leuten nicht anders ergangen ist. Wenn mich meine Ohren nicht täuschen, geben gestandene Philosophen auf einer CD, mit der man Heidegger erklärt bekommt, zu, den Meister erst in seinen Vorträgen, und nicht schon in seinen Buchtexten verstanden zu haben. Haben sie das auch ihren Studenten gesagt?
Offenbar macht das Unverständliche mancher Texte die Popularität ihrer philosophischen Autoren aus.
Ein Klassiker des Jargons ist Adorno, der aber verständliche Briefe an seine Mutter geschriben hat. Aus Kalifornien berichtet er zum Beispiel von „der Schönheit der Sierras“ mit ihrem „tiefblauen und grünen Gebirgsee“, was ihn „unendlich vergnügt“, während er auf eine Wildente wartet. In seinen Texten verachtet er sich dann selbst für diese Empfindung, indem er erklärt: „Was … im bürgerlichen Verblendungszusammenhang Natur heißt, ist bloß das Wundmal gesellschaftlicher Verstümmelung“, wie heute in der FAZ zu lesen ist (6.8.10, S. 29). Ich habe in der Schule gelernt, daß Philosophen Wegweiser sind, die bekanntlich den Weg nicht gehen, den sie uns weisen. Man hat mir vergessen zu sagen,daß sie schlechte Wegweiser sind. Ich höre so langsam mit ihrer Lektüre auf und orientiere mich einfacher – an der Wissenschaft.