Ein Nachtrag zu den Lügenbaronen, also zu der Tatsache, daß unter den Nazis im Auswärtigen Amt gebildete und gut verdienende Menschen zu Mördern wurden. Da stellt sich allgemein die Frage, ob und wie Bildung vor Verbrechen schützen oder zum moralischen Verhalten führen kann. Wenn sie das nicht tut, kann einem Bildung eigentlich gestohlen bleiben.
Bei Aristoteles gibt es den Hinweis, daß es die Wahrnehmung meines Gegenübers ist, die als Quelle meiner Moral dient. Ich versetze mich in seine Position und leide für ihn und mit ihm – wenn ich wahrnehme und nicht nur abstrakt mit leeren Begriffen hantiere. Wahrnehmung heißt „aisthesis“, und was Aristoteles sagt, kann man durch den Satz modernisieren, „Die Ästhetik ist die Mutter der Ethik“ (Joseph Brodsky). Bildung ohne Erfahrung der Schönen – ohne Weltanschauung – bleibt ohne Moral. Das beamtete Leben im Auswärtigen Amt muss damals sehr hässlich gewesen sein. Und heute?