Dies ist ein persönlicher Text, der von einem komischen Gefühl der Dankbarkeit umgeben ist. Heute vor einem Jahr ist meine Aorta gründlich gerissen, und die Chirurgin meinte vor der Operation, sie habe keine Chance, aber sie mache sich einmal an die Arbeit. Jetzt lebe ich seit einem Jahr mit einer künstlichen Aorta, wundere mich die ganze Zeit, daß ich lebendig bin und habe eine Entdeckung der besonderen Art gemacht. Denn wenn ich arbeite und dabei vergnügt bin – etwas schreibe, Vorlesungen halte, mit Studenten spreche, … -, dann habe ich keine Schmerzen und bin voller Lebensfreude. Wenn ich nicht arbeite und mich einfach nur hinsetzen möchte, teilt mir mein Körper an mindestens fünf Stellen mit, was vor einem Jahr passiert ist. Also muss ich etwas tun, wenn ich mich hinsetze, zum Beispiel in der Zeitung lesen, und dabei ist mir wieder eine Menge aufgestoßen. Gestern stand in der FAZ etwas von einem Investment in Bildung, und dabei ging es nicht um Leute, die sich bilden wollten, sondern um Leute, die an der Bildung anderer verdienen wollten. Sie zahlen deine Ausbildung, und du zahlst deren Auskommen. Ein widerlicher Gedanke, der natürlich als ökonomisch sinnvoll angepriesen wird. Diese als Bildunginitiative getarnte Ausbildungsförderung in der Verwertungslogik des kapitalistischen Systems wird Erfolg haben, und die Bildung bleibt erneut auf der Strecke. Mir scheint, daß die Bildungsdebatte vor allem eines erreicht hat, nämlich das Sprechen über Bildung zu verdrängen. Es geht nur noch um Ausbildung, wo doch das Gegenstück – die Einbildung (lateinisch Information) – wichtiger wäre. Aber nicht ärgern, wenn mich dabei auch keine anderen Schmerzen plagen. Heute feier ich meinen ersten Geburtstag. Vielleicht vergesse ich dabei auch, welche Folge das hat, was passiert ist.