Auf der Suche nach der verschwundenen Zeit
Wer bei Google “Krise der Physik” eingibt, wird millionenfach belohnt, unter anderem mit dem Verweis auf die bei Wikipedia einzusehende lange Liste ungelöster Probleme der Physik, zu denen unter anderem eine “Spin-Krise” zählt. Als Albert Einstein noch jung war, hatte er auch mit einer “Krise der theoretischen Physik” zu leben, die damit zusammenhing, dass die Newtonsche Mechanik und die Maxwellsche Elektrodynamik nicht zusammen passten. Wer die heutige Krise auf eine vergleichbare Gegenüberstellung zurückführen will, kann die Quantenteheorie mit ihren diskreten Sprüngen der Gravitationstheorie mit ihren kontinuierlichen Feldern gegenüberstellen und die Bemühungen betrachten, eine Quantengravitation zu formulieren und den Quantenkosmos damit zu erklären. Viele Versuche in diese Richtung scheitern, weil man Mühe mit der Zeit hat, die in Einsteins Feldtheorien eine dynamische Größe wird, die von der Energie beeinflusst wird, während sie trotz aller Quantensprünge im atomaren Bereich so ungestört verläuft wie zu Newtons Zeiten. Um dem Problem beizukommen, versuchen Verfechter von Stringtheorien und Quantenschleifenmechanismen, die Zeit abzuschaffen und aus den Gleichungen zu entfernen. Es gibt inzwischen Bücher, die mit der Behauptung Aufmerksamkeit erregen, dass es die Zeit gar nicht gibt, was natürlich Unsinn ist und nur zu erkennen gibt, dass die Autoren der Mathematik Priorität über die Physik einräumen und die erlebte Wirklichkeit ignorieren. Trotzdem: Die Physik kann ihre Krise vielleicht dann besser in den Griff bekommen, wenn sie der Zeit ihren (klassischen) absoluten Charakter nimmt und sie relativ oder besser relational behandelt, wie etwa Lee Smolin in einem Buch vorschlägt (ohne es zu tun). Und tatsächlich: Wenn man die Zeit relational behandelt und durch das Verhältnis mit dem Raum einführt, das als Geschwindigkeit bekannt wird, heben sich viele Schwierigkeiten der Physik hinweg. Die Zeit kann man tatsächlich verschwinden lassen, wenn man sie im Raum versteckt und nur die Bewegung betrachtet, die in der Welt herrscht, und sich nicht so sehr um die Koordinaten kümmert. Auf einer Bühne kommt es auch mehr auf das Schauspiel der Akteure und weniger auf die Bretter an, auf denen sie stehen. Wer die Zeit in den Raum verlegt und sie dort verschwinden lässt, bringt dabei deutlich an den Tag, was schon die Romantiker und antike Philsophen gewusst haben. Alles ist Bewegung. Alles fließt. Vor allem im Kreis – wie die Zeit, die damit keinen Anfang braucht und kein Ende findet.