Zu den schönsten und folgenreichsten Hervorbringungen der Naturwissenschaft des 20. Jahrhunderts gehört die Doppelhelix aus DNA, also dem Stoff, aus dem die Gene sind (falls es sie gibt). Die Doppelhelix gibt es seit 1953, und 1968 hat einer ihrer Erfinder, James D. Watson, unter dem Titel „Doppelhelix“ in Buchlänge beschrieben, wie er und Francis Crick auf das Modell gekommen sind. 1962 haben beide für die vorgelegte Struktur der DNA den Nobelpreis bekommen, und da dies jetzt 50 Jahre her ist, gibt es eine Neuausgabe der autobiographischen „Doppelhelix“ von 1968 – mit einigen Ergänzungen, die es in sich haben und einiges zu der keineswegs banalen Frage beitragen können, ob die Struktur der Doppelhelix eine Entdeckung oder Erfindung war. Die meisten Menschen meinen, wissenschaftliche Ergebnisse sind alles Entdeckungen (die jeder Depp machen könnte, wenn man ihm nur genug Zeit lässt), aber ich denke, daß die Doppelhlix eine Erfindung ist – wie auch jede Theorie als Erfindung verstanden werden sollte. Wenn ich konkret bei der Doppelhelix bleibe, so konnte schon immer in dem Bericht von Watson gelesen werden, daß er und Crick eines Tages keine weitere Daten mehr haben wollten – um sich so ganz auf den Entwurf eines Modells konzentrieren zu können. Nun bringt die erwähnte Neuausgabe ein Memo von Crick, in dem er in einem frühen Stadium der Arbeit darauf beharrt, mit einem Minimum an experimentellen Daten auskommen, wobei er natürlich weiß, daß seine Ideen nicht vom Himmel fallen, sondern ihren Ursprung in den Messergebnissen und anderen Tatbeständen wissenschaftlicher Art haben. Trotzdem – Ideen sind wichtiger als Informationen, und Informationen können Ideen behindern.
Als Watson und Crick sich um die DNA-Struktur bemühten, waren sie nicht allein mit dem Thema beschäftigt. Zu den Wettbewerbern gehörte auch Rosalind Franklin, die in der Neuausgabe der „Doppelhelix“ jetzt mit den Worten zitiert wird, „die experimentellen Daten sprechen für sich“. Genau das tun sie nicht. Genau das ist der Irrtum, der von der eigentlichen Qualität von Wissenschaftlern ablenkt, nämlich der, kreativ zu sein. Die Doppelhelix ist eine Erfindung, und die „Doppelhelix“ ist ein wunderbares Buch, das jetzt noch besser geworden ist. Von einer Logik der Forschung kann keine Rede sein. Wohl aber von der kreativen Lust der Forscher.