Zwar hat schon Charles Darwin vom „Geheimnis der Geheimnisse“ gesprochen, als er sich über den Mechanismus der Evolution Gedanken machte und zu wundern anfing. Aber jede Forschergeneration kann in dem Prozess des großen Werdens ihr eigenes bevorzugtes Geheimnis in Augenschein nehmen, und in der Ausgabe vom 8.2.14 entscheidet sich die Redaktion von New Scientist für das Aufkommen von Sprache. Ihr Zustandekommen wird als eines der größten Mysterien des evolutionären Denkens bezeichnet, wobei der Leser mit diesem Anreiz gelockt werden soll, einen Aufsatz über Finken zu lesen, genauer über den Bengalen- oder Gesellschaftsfinken. Die Vögel stammen von eher unscheinbaren südostasiatischen Vorläufern ab, die Züchter in den letzten 250 Jahren in eine Schönheit verwandelt haben, wobei sie zwar vor allem auf das Federkleid geachtet, dabei es aber nebenbei auch erreicht haben, dass die Finken statt einfacher komplexe Melodien trillern, und inzwischen denken einige Vogelforscher sogar, dass man in dem Gesang der Finken so etwas wie eine Syntax entdecken kann. Die Vögel mischen nämlich einzelne Melodiestücke und setzen sie so zusammen, wie Menschen beim Sprechen es mit Worten und Phrasen machen. So schön sich der Gesang anhört – was lässt sich daraus über das Entstehen von Sprache lernen? Abgesehen von dem Hinweis, dass sich offenbar durch – künstliche oder natürliche – Selektion etwas erreichen lässt?
Der japanische Vogelforscher Kazuo Okanoya ist überzeugt, dass die Federzüchtung irgendwie die sexuelle Selektion in die Lage versetzt hat, für größere Komplexität des Gesangs zu sorgen – was insgesamt höchst rätselhaft bleibt. Sein amerikanischer Kollege Terrence Beacon sieht trotz aller Sorgfalt keinen Mechanismus der Sprachentstehung und meint, dieses Vermögen sei spontan in die Welt gekommen. Aber bei welcher Gelegenheit? Und wie hat es sich gehalten und verankert?
Übrigens – was die sexuelle Selektion angeht, so ist damit unter anderem die menschliche Fähigkeit gemeint, jemanden durch zärtliches Geflüster zu verführen, was zweifellos funktioniert, etwa bei einem Candlelight Dinner. Ob die Sprache deshalb aber ein Selektionsprodukt ist, bleibt trotz der bezaubernden Finkenmelodien mit ihren syntaktischen Qualitäten offen, wobei es mir scheint, als ob Sprache nur dann entstehen kann, wenn denen, die das Sprechen lernen wollen, Zeit und Muße zur Verfügung steht und man etwas zu erzählen hat – zum Beispiel am Ende eines ertragreichen Tages in trauter Runde am Lagefeuer. Dann vertreibt das Reden auch die Angst vor der Dunkelheit. Das Haus der Sprache wird errichtet und hält uns sicher. Sie wird unser Heim. Ein schönes Geheimnis.