Si tacuisses
“Si tacuisses philosophus mansisses.” Dieser Satz, der sich als Restkenntnis aus meinem Lateinunterricht in meinem Gehirn festgesetzt hat – “Wenn du geschwiegen hättest, wärst du ein Philosoph geblieben – fällt mir oft ein, wenn man hochgeschätzten Gelehrten bei ihren öffentlichen Auftritten zuhört. Gestern sprach zum Beispiel der Armutsforscher Christoph Butterwegge in der Tagesschau, nachdem die Linke ihn als Kandidaten für das Bundespräsidentenamt vorgeschlagen hatte, und es waren armselige Phrasen, die der der arme Mann da absonderte. Doch darum soll es nicht gehen, sondern um das Gedöns, mit dem Googles Kreativ-Chef, ein Mann namens Frederick Pferdt, seine Zuhörer in Paderborn genervt hat. In der FAZ vom 22.11.16 ist auf Seite 24 zu lesen, was der kreative Kreativ-Chef dort im Rahmen einer Vortragsreihe so an Sätzen losgelassen hat, der sich selbst gerne als “Google Chief Innovation Evangelist” sieht und so nennen lässt. Pferdt wartet zum Beispiel mit der wegweisenden Einsicht auf, “der Mensch bleibe oft in routiniertem Verhalten stecken – ohne zu merken, dass er es gerade selbst tut -, und er bietet den sensationellen Rat an, “Seien Sie offen für Neues”, was er gerade nicht macht, da dieser Ratschlag uralt ist. Pferdt empfiehlt, morgens immer andere Wege zur Arbeit zu suchen, um ständig neue Eindrücke zu gewinnen – und viel Kreativzeit zu verlieren? -, und er verrät das Erfolgsgeheimnis großer Unternehmen, nämlich “Führung durch Fragen” zu praktizieren. Er weist etwa auf die Airbnb-Gründer hin, die sich gefragt haben, was wäre, wenn wir überall auf der Welt zu Hause wären? Herr Pferdt ist nicht überall zu Hause, sondern nur dort, wo man sein Geschwätz erträgt, aber was wäre, wenn man den Herrn einmal etwas informiert ? Zum Beispiel darüber, dass die Idee, dass Fragen wichtiger sind als Antworten, schon bei Sokrates zu finden und auch die Physiker der großen Niels Bohr wegen seiner Fragen bewundert haben, nur dass beide damit keine Gewinne gemacht hat, die man versteuern müsste. Oder auch darüber, dass Ingenieure – also auch Menschen – schon Jahrzehnte vor Pferdt die Frage gestellt haben, warum kann ein Auto nicht schwimmen, und dabei mit ihren Amphibienfahrzeugen erst ins Schwimmen geraten und dann auf die Nase gefallen sind. Vor allem aber sollte man Herrn Pferdt sagen, dass das Geschrei nach unentwegten Innovationen uralt ist. Das Neue war neu vor vierhundert Jahren. Was jetzt zählt ist das Gute, das bleibt, aber davon war bei ihm nicht die Rede. Das macht auch mehr Mühe, vor allem gedanklich und weil man Auswirkungen beachten muss. “Das Gute, dieser Satz steht fest, ist stets das Böse, das man lässt”, wie Herrn Pferdt wahrscheinlich bekannt ist. Sein Unternehmen Google will ja nichts Böses tun, wie es einmal hieß. Gutes geschieht dabei aber noch lange nicht. Es sei denn , Herr Pferdt würde weniger Blödsinn verbreiten und schweigen. Si taciusses …
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